Was verstehst Du unter Empathie? Was zeichnet sie aus?

In den letzten Jahren hat sich meine Sicht auf Empathie stark verändert.

Beim Lesen von buddhistischen Texten sind mir oft Passagen aufgefallen, wo die Gefühlswelt mit großer Vorsicht behandelt wurde. Mich wunderte was z.B. an positiven Gefühlen verkehrt sein soll.

Meine slawische Abstammung sorgt auch dafür, dass man schnell nachfragt ob ich verärgert bin. Derweil zeige ich lediglich Interesse und Begeisterung. Habe kein Problem über Gefühle zu sprechen, zu weinen, oder einfach meinen Mund zu halten und mein Gegenüber sprechen lassen.

Nur bei uns Männern scheint es einen biologischen Impuls zu geben, der “Probleme schnell lösen” will. Und so fand ich mich immer wieder in einer Situation, besonders mit Frauen, dass sie mir ihre Probleme erzählen. Bei mir schlug das Herz höher, weil ich mir Mühe gab, erstens das Problem zu erfassen und dann eine auf die Person abgestimmte Lösung anzubieten. Was ich lange Zeit nicht begriff, war, dass viele ihre Probleme gar nicht verändern wollen. Die Gefühle wie Trauer, oder Ärger kamen hoch und irgendwie schien es mir, als wäre doch etwas Gutes passiert. Als hätte sich allein durchs Sprechen etwas verändert. Nur leider erlebte ich sehr selten eine Besserung. Meistens endete alles im Streit, da ich auf Dauer nicht dazu bereit war Aufmerksamkeit zu schenken.

Nach einer Retraumatisierung von Kindheitserlebnissen, hatte ich mit einer Hypersensibilität zu kämpfen. Ich redete mir zu diesem Zeitpunkt ein, ich sei so “empathisch”. Wenn Ich in einen Zug stieg, konnte ich die Stimmung von meinem Sitz-Nachbarn körperlich wahrnehmen. Eine wütende Person machte mich wütend, eine Traurige traurig, etc. Es fühlte sich magisch und befremdlich an.

Vieles was als Empathie verkauft wird ist ganz einfach ein traumatisiertes Nervensystem, dass unbewusst auf Hochalarm geschaltet ist und so ziemlich alles mitbekommt, was um einen passiert. Kinder und Tiere haben von Natur aus solch starke emotionale Aufnahmebereitschaft. Ich war, schon wohl als Kind, aber dann auch als Erwachsener, damit komplett überfordert. Zwar half mir “Hypersensibilität” bei der Arbeit am Set und mit Schauspielern, aber privat laugte mich das “über Probleme sprechen” immer mehr aus. Auch weil ich vorerst nichts Schlimmes daran erkennen konnte. Und mir die zu ziehenden Grenzen noch nicht bewusst waren.

Durch Meditationsübungen erfasste ich, dass unser Ego sich nicht nur als Gedanke, sondern vor allem als Gefühl bemerkbar macht. Was klar wird, wenn man sich den Ablauf eines Gedankens genau anschaut. z.B. ein Gefühl von “sich ungeliebt fühlen”, produziert eine Reihe an Gedankenmustern. Entweder um sich damit zu identifizieren (Ich bin so arm), oder um negative Gedanken abzuwehren (das lasse ich mir von ihr/n nicht gefallen). Was auf dasselbe hinausläuft: “Egozentrismus”.

Das man dem Ego erst durch das Aufdecken und Benennen der verdeckten Gefühle auf die Schliche kommt, überraschte mich. Jedoch wurde mir klar, dass ich ganz einfach nicht kompetent gewesen bin, um den Freunden wirklich helfen zu können. Das Setting eines freundschaftlichen Gesprächs ist vollkommen ungeignet um schwere Probleme zu wälzen.

Es war meine Arroganz zu glauben “ich kann helfen” und sie fand ihre Resonanz im Selbstmitleid der Betroffenen.

Mit Empathie hatte das nicht viel zu tun. Leider. Mein Ego würde es sehr gerne sehen, dass ich ein “guter Mensch” bin. Ein Empath. Ein Lichtwesen. Oder ein Gott. Nur “the way to go” ist anderen beizubringen sich selber zu helfen. Das muß aber der Betroffene auch wollen. Denn die echte Hilfe ist nicht so angenehm wie ein tröstliches Gespräch. Sie erfordert schmerzliche Einsichten und langwierige Veränderungen. Viele hoffen, dass ein kurzer Tratsch, oder ein Ausweinen auf der Schulter genügen. Leider nicht. Das erfordert viel Zeit und eine Lebensumstellung.

“Empathie” würde bedeuten, dass man zur betroffene Person während der Umstellungsphase Kontakt hält. Und vorzeigen, wo und wann man Grenzen setzt.

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