Newell Convers Wyeth – Homecoming

Sollte eine Beziehung nach einem Seitensprung beendet werden?

Weißt du, heute würde ich laut schreien: “JA! Einmal fremdgehen bedeutet immer fremdgehen!” Nur so einfach ist das nicht.

Obwohl ich heute monogam lebe, hatte ich vor ca. 10 Jahren ausschließlich mit Dreiecksbeziehungen zu tun. Ich hielt mich damals für liberal und vertrat die Ansicht das Sex nun mal wichtig ist. Und man Treue nicht so altbacken und eng sehen sollte.

Auf eine seltsame Weise genoß ich das Heimliche und als ich herausfand, dass auch ich betrogen worden bin, hat mich das, zumindest auf der rationalen Ebene, nicht gestört. Ich wäre ein Heuchler gewesen, wenn ich Regeln eingefordert hätte, an welche ich mich selber nicht hielt.

Ein anderer widersprüchlicher Aspekt war, dass ich großen Wert auf Loyalität legte (und lege). Also ich das “Geheimnis” als eine Art Vereinbarung empfand und es als einen Bruch in meinem Wertesystem angesehen hätte, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Liegt natürlich auch daran, dass ich Affären mit Menschen aus dem öffentlichen Leben pflegte, wo meine Offenlegung möglicherweise zerstörerisch für Karrieren bzw. Ehen gewesen wäre. Das gab mir selbstverständlich auch eine gewisse Form von Macht, was die Erotik nur noch steigerte. Als meine Partnerschaft den Bach runter ging, kamen mir auch dann Affären recht, weil sie mein Bedürfnis nach nur einem Partner (minus Verantwortung) befriedigten.

Das änderte sich aber, als ich merkte, dass die “Loyalität” nur möglich gewesen ist, weil ich mich von meinen Gefühlen abgekapselt habe. Der geschlossene Pakt richtete sich gegen mich selbst. Erst nach einer bitteren und späten Einsicht, dass ich “gar nicht so wichtig” also ersetzbar war und mir auf diese Weise nie ein richtiges Zuhause aufbauen konnte, kam der Zorn, der Schmerz und vor allem die Scham hoch. Ich wurde regelrecht überflutet von Gefühlen welche ich nicht einmal zuornden konnte. Rückblickend muss ich mir auf die Schulter klopfen, dafür dass ich diese Phase heil überstanden habe und es mir irgendwie gelungen ist nicht Amok zu laufen. Um das Leben meiner Ex-Partner aus Rache zu zerstören. Mein eigenes Leben war mir in diesem Moment egal, es schien mir alles weggenommen worden zu sein. Ohne, dass ich jemals eine traditionell-monogame Beziehung hatte.

Psychologisch gesehen kann man natürlich sagen, dass lag an meinen früh geschiedenen Eltern und dem Einfluss vom “Let’s talk about Sex” Zeitgeist der 90er Jahre. Ich könnte also, auch retrospektiv, meine Fehler gar nicht als solche erkennen. Ich wusste immer ganz genau was ich tat und gab mich der hedonistischen Illusion vollkommen hin. Vor allem Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Anerkennung spiegelte sich in diesen dubiosen Beziehungen wider.

Hochmütig, war meine Erwartungshaltung. Naiv obendrein. Ich suchte quasi in der Hölle und in dem persönlichen Unglück anderen Menschen nach etwas Göttlichem: “Der verloren geglaubten Liebe meiner Eltern.” Ja, dumm gelaufen.

Also, bin ich gegen Seitensprünge? Definitiv! Nur Menschen die in diese verwickelt sind, befinden sich nun mal in einer Trance. Und können gar nicht anders. Eine Zukunft und Happy End hat solch eine Konstellation nicht, das kann ich mit Sicherheit sagen. Aber ein Happy End kann man auch in monogamen Beziehungen nicht erwarten. Die depressive Phase hat mich zu einer stoischen und spirituellen Lebenshaltung geführt. Mag sein, dass ich nach dieser Erfahrung nun private Angelegenheiten und meine schwer erarbeitete Tugend viel zu ernst nehme. Ja, hm. Das ist momentan mal so.

Eine Affäre bringt wichtige Anteile ans Licht, ohne Zweifel, welche wohl oder übel zu jedem Beteiligten dazugehörten. Auch dem betrogenem Teil. Es ist immer eine 3er Beziehung, auch wenn man die/den Dritte/n physisch nicht trifft. Das war mir leider lange nicht klar.

Die alten Regeln der Tugend dienen vor allem der psychischen Hygiene. So viel weiß ich heute. Man ist treu, weil man dadurch sich selbst treu bleibt. Also sei dir im Klaren, dass jeder Orgasmus seinen Preis hat.

Orignaltext auf Quora