Bild: Hieronymus Bosch / Garten der Lüste

Was bedeutet es für einen, wenn man sich seiner Archetypen bewusst wird?

“Die dunkle Nacht der Seele” ist mit dem “Tod des Egos” gemeint. In der Frage werden verschiedene Konzepte falsch vermischt! Depression kann eine Begleiterscheinung “der dunklen Nacht” sein, ja… Aber: Wenn das Ego stirbt, dann ist man nicht mehr zurechnungsfähig. Insofern und kontraintuitiv kann nur ein starkes Ego diese Seelenprüfung “überleben”.

In alten Kulturen, wie auch weiterhin im Schamanismus, gibt es Initiationsriten ins Erwachsenenleben. Bei uns nennt man Menschen, die diesen Ritus nicht durchlebten, persönlichkeitsgestört. Es gibt davon die Angepassten, jene, die nicht auffallen, und dann ein paar, die mit Autos in Menschenmengen hineinfahren. Unsere westliche Kultur ist leider darauf ausgelegt, das Ego schwach, also leicht manipulierbar durch Medienbefehle und vor allem durch süchtig machende Lebensmittel, in einem Dauererregungszustand zu halten. Das hemmt die Entwicklung. Man beachte zu dem Thema Schriften über Massenpsychologie und die amerikanischen Überlegungen, Individualismus als Kontrollinstanz der Gesellschaftsstruktur zu etablieren. Es funktioniert natürlich nicht reibungslos, aber gut genug, um diese “Werte” exportieren zu wollen. Anders ausgedrückt: “Das Volk wird durch Entertainment, Zucker und Hierarchiespiel klein und dumm gehalten, während es sowohl konsumiert als auch selber die konsumierte Ware darstellt.” Es sollte jedem vernünftigen Menschen mittlerweile auch aufgefallen sein, dass 90% der Lebensmittel im Supermarkt eine Korrelation zu Diabetes und somit zu allen anderen Immunkrankheiten haben, besonders die stark Beworbenen. Krankheit ist ein weiteres Werkzeug, um die Gesellschaft friedlich, da mit sich selbst beschäftigt und schwach, zu halten.

Die “dunkle Nacht der Seele” tritt ein, wenn der gesellschaftliche Mechanismus durchschaut wird. Dann greift die Manipulation nicht mehr. Der Geist verweigert die Verführung und Ablenkung anhand von Desinteresse. Der Körper stößt Gifte ab, was durch Krankheiten angezeigt werden kann. Lethargie und Verwirrung etablieren sich als Grundstimmung. Der Hauptunterschied zu einer Depression liegt meiner Meinung nach darin, wie die Person vor der akuten Phase in Kontakt mit der Welt stand. Gerät eine extrovertierte und ansonsten lebensfrohe Person in solche psychische Gewässer, dann handelt es sich eher um die “dunkle Nacht der Seele”. War der Betroffene schon von seither eher zurückhaltend und lebensscheu, dann verdeutlichen Depressionszustände die Potenzierung von sozialen Ängsten. Hier wird weiter verzweifelt versucht, sich an eine kindliche Weltvorstellung anzupassen, also der Weg zu gesellschaftlichen Illusionen gesucht, da diese noch nicht richtig erlebt wurden, geschweige durchschaut.

In solch einem Fall ist Depression meist ein Hilferuf eines unterentwickelten Egos, wo jegliche Ego-Transzendierung eine Form von Todessehnsucht darstellt. Es ist die Kehrseite des Narzissmus, Echoismus. Man bedenke, was das Schicksal von Echo ist: Sie verliert ihren Körper und wird zu einer Stimme, die alles, was gesagt wird, wiederholt. Bei Menschen drückt sich das durch eine Abneigung zum eigenen Körper aus. Sie werden passiv und konfliktscheu in der Außenwelt. Hörig dem Partner oder Vorgesetzten. Wiederholen alles, was durch Medien propagiert wird. Schablonen eines Menschen. Das ist unter anderem die Gefahr eines schwachen Egos, was aber nicht bedeutet, dass diese Menschen kein Ego haben. Ganz im Gegenteil, deren Ego ist so dermaßen aktiv im Innenleben wie das eines Narzissten. Sie können vorwiegend nur mit sich selbst beschäftigt sein, also dem inneren Gedankenstrom. Befinden sich in einem chronischen Stresszustand durch die panikbesetzte Überwachung ihrer oft extremen Schwankungen der Gefühlszustände, Hypochondrie. Beim Narzissmus drückt sich das schwache Ego aktiv nach außen aus, beim Echoismus passiv nach innen. Jedoch bilden diese zwei Egomuster ein sich bedingendes Team und haben das gleiche Schicksal der Isolation. Ohne das Idealisieren seitens von Echo hätte Narzissus keinen Grund für seine Selbstbezogenheit.

Solche Ego-Strategien können zur “dunklen Nacht der Seele” führen, wo sich der Einzelne seiner Verhaltensmuster bewusst wird, müssen es aber nicht. Diese Bezeichnung spricht eine charakterliche Reifeprüfung an. Im Christentum wurde “Die dunkle Nacht der Seele” als eine Säuberung/Läuterung des Geistes auch als der Moment verstanden, wo der Mensch Gott in sich entdeckt. Die Nonne, der Priester oder Künstler hört den Ruf nach Religion oder Kreativität. In spirituellen Kreisen spricht man in diesem Zusammenhang von einem Erkennen der Bewusstseinsnatur. Es gibt hier keinen Konsens darüber, wie diese Phase durchlebt werden soll, wer es nun schafft und wer nicht und wie stark sich die Symptome der Verzweiflung ausdrücken. Weiters kann man die “dunkle Nacht der Seele” überstehen, aber trotzdem an Depressionen leiden. Auch am Charakter muss sich nicht unbedingt viel ändern. Das Ego ist so gesehen gar kein Problem, das überwunden oder geheilt werden muss. Solche Annahmen sind, wie schon erwähnt, eher Zeichen eines schwachen und verwirrten Egos. Was sich ändert, ist der Zugang zum Leben. Wie sich das verdeutlicht, ob durch gewöhnliche Alltagsbeschäftigung eines Arbeiters, einer Wiedergeburt als Guru oder als absurde Karriere eines Diktators, ist nebensächlich. Es geht um das Selbstgewahrsein. Deswegen ist die Verknüpfung von Depression und Tod des Egos falsch. Wie beim Echoismus angedeutet, kann so manche Depression zur Brutstätte von schwachen Egos werden, die nie aus dem Kleinkindmodus erwachen, da Krankheit als Druckmittel entdeckt wird.

Der Unterschied zwischen starken und schwachen Ego hängt nun von der Identifizierung ab. Kinder sind schwach, weil sie leicht manipulierbar sind. Sie verwechseln ihre Identität noch mit jeglicher Gefühlsregung, Körperbedürfnis und aufkommenden Idee. Ein starkes Ego sieht sich nicht mehr als ein derartiges Blatt im Wind oder als Lebensmittelpunkt, sondern einen Teil des kollektiven Bewusstseins der Welt. Schwache Egos lassen sich mitreißen von den sozialen Positionen, welche sie besetzen, oder verfallen in Starre, wenn sie die Kontrolle im Leben verlieren. All das sind Auswirkungen der Identifizierung mit gesellschaftlichen Rollen und Lebensumständen. Starke Egos sind deswegen stark, weil sie ihre Existenzberechtigung nicht an äußere Bedingungen knüpfen, sondern im Sein selbst gefestigt sind. Das Durchleben der “dunklen Nacht der Seele” ist eine Möglichkeit, diese Reife zu entwickeln.

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