Rainald Simon: Übersetzter & Herausgegeber des “Daodejing” / Reclam
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Kapitel 9

Festhalten [an den Dingen], und das in hohen Maße, kommt

der Unterlassung solchen [Verhalten] nicht gleich.
Schmiede ein Schwert spitz und schärfe es dann – nicht lange
wirst du es bewahren können.
Füllen Gold und Edelsteine die Halle – niemand vermag solches
zu schützen.
Du lebst in Wohlstand mit hohem gesellschaftlichem Rang
und bist stolz: Aus dir selbst geleitest du dich ins Unglück.
Ist eine Leistung erbracht, sollte sich die Person zurückziehen:
Der Weg des Himmels ist das.”


KOMMENTAR:

Dieses Kapitel habe ich schon einige Male, zunächst anhand der Entscheidungen meiner Eltern und später durch eigenes “Festhalten wollen” an Personen, Gegenständen und Erwartungshaltungen erlebt. Das Anhaften und nicht loslassen bringt Leid. Ich fragte mich: “Warum ich? Warum muss mir das passieren? Weshalb kann mal das Leben nicht ruhig und friedlich bleiben?” Solch Fragen und Sehnsucht nach schon Erlebtem, also dem Bekannten, kreiern Weltflucht. Führen zu Abhängigkeiten, ob nun nach angenehmen Zuständen wie durch Drogen induziert, oder die Anwesenheit und Sehnsucht nach bestimmten Menschen. Festhalten ist also keine gute Idee.

Wer Waffen, aber auch Konflikte, schmiedet, wird diese auch tatsächlich austragen. Erworbene Reichtümer verlieren an Wert, oder locken andere an, die diese stehlen wollen. Auch ist gesellschaftliches Ansehen eine Art Fluch, da man kaum eigenes Privatleben hat und sich anhand einer kollektiven Meinung orientieren muss.

Die Zusammenfassung deutet, wie so oft, darauf hin, dass man das eigene Ego nach getaner Arbeit bei sich halten sollte. Ohne Erwartungshaltung. Nur bewahrt man inneres Gleichgewicht.

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