Rainald Simon: Übersetzter & Herausgegeber des “Daodejing” / Reclam
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Kapitel 7

“Der Himmel ist dauernd, die Erde bleibend.

Womit Himmel und Erde dauern und sogar bleibend sein können,
so ist es ihr Werden nicht um des Eigenen willen,
deshalb vermögen sie lange zu existieren.
Aus diesem Grunde stellt der Vollkommene seine Person zurück
und gerät seine Person an vorderste Stelle,
exponiert er seine Person
und bewahrt seine Person [dadurch] Ist das nicht deshalb so, weil er keine Eigeninteressen hat?
Deshalb kann er sein Eigenes erreichen.”


KOMMENTAR:

Egozentrismus, so wie er in uns eingehämmert wurde, ist laut dem Dao kontraproduktiv. Da oftmals Eigeninteresse, im Gegensatz zum eigentlichen Fluss der Gegenwart, steht. Am deutlichsten erfuhr ich diese Lektion am künstlerischem Schaffensprozess. Eigeninteresse drängt sich schnell auf, wenn man von seiner Kunst zu leben hat. Je mehr man sich quasi “verkauft” desto mühsamer und nervenaufreibender wird das Handwerk. Zwar sind Fristen und Ziele wichtig, um eine Struktur zu bewahren, jedoch nicht wenn man sein gesamtes übriges Leben an Fristen hängt. Das führt dann zu Konflikten und Burnout-Erscheinungen.

Das Doadejing rät in diesem Fall sich, egal welche Eigenschaft, Handwerk, Talent, Aussehen, Intelligenz, Belesenheit, nicht in den Vordergrund zu stellen. Also nicht damit prahlen, oder sich dadurch von anderen abheben. Auch hilft es nicht, wenn man genau diesen Ratschlag sich als Tugend aneignet. Dann macht man sich ebenso etwas vor.

Eine Falle in welche ich persönlich oft hineingeraten bin. Auch von Stanislaw Stanislawski (Schauspiellehrer) zusammengefasst durch: “Love the art in yourself, not yourself in the arts.”

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